Auf der "Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt" wurden bereits im März 2010 "10 Grundsätze zur Stadtbaukunst heute" diskutiert und vom Deutschen Institut für Stadtbaukunst an der TU Dortmund herausgegeben.


PRÄAMBEL
In Deutschland entstehen kaum Stadtquartiere, die wie die sogenannten Altbauquartiere von einem Großteil der Bevölkerung als alltagstauglich, wertvoll und schön empfunden werden. Dies geschieht trotz der seit einer Generation weit verbreiteten Kritik an den funktionstrennenden, verkehrszentrierten und stadtauflösenden Planungsmodellen der Avantgardemoderne und trotz einer historisch beispiellos umfangreichen Planungsgesetzgebung mit Bürgerbeteiligung.

Um die Ursachen für dieses Defizit herauszuarbeiten und eine Planungs- und Baukultur zu befördern, die in Zukunft die Erhaltung, Verbesserung und Errichtung von städtischen Quartieren mit einer hohen Gestalt- und Lebensqualität ermöglicht, haben sich in Düsseldorf Vertreter der Fachdisziplinen, der Wissenschaft, der Politik, der Verwaltung, des Kulturlebens, der Medien und der Öffentlichkeit getroffen und 10 Grundsätze zur Stadtbaukunst diskutiert.

Das Deutsche Institut für Stadtbaukunst wird zu den einzelnen Themenbereichen Fachkonferenzen durchführen und konkrete Maßnahmenkataloge in Expertengruppen erarbeiten, um Veränderungen in der Stadtentwicklungspraxis in Deutschland zu bewirken. Wir laden alle Interessierten ein, an den Fachkonferenzen teilzunehmen und die Umsetzung dieser Grundsätze zu befördern.

ZIEL


Das Leitbild jeglicher städtebaulicher Planungen in Deutschland muss das eines nachhaltigen, dauerhaften und schönen Bauens sein.

 

Für die ländlichen Bereiche bedeutet dies, durch Baumaßnahmen den Charakter der jeweiligen Kulturlandschaft zu stärken. Für die Stadt aber muss eine umfassende, dem jeweiligen Ort angemessene, Urbanität das Ziel sein. Eine solche Urbanität ist in der Notwendigkeit begründet, aus ökologischen Gründen jegliche Bautätigkeit vor der Stadt zu minimieren. Jedes innerstädtische Bauwerk muss als Baustein der Stadt dauerhaft und schön sein, um auf diese Weise eine qualitätvolle und zukunftsfähige städtische Umwelt zu schaffen.

Städte in Deutschland müssen in Zukunft umfassend urban sein. Dies bedeutet: Sie müssen architektonisch wohl gestaltete öffentliche Räume aufweisen, aus kontextbezogenen Häusern mit ansprechenden Fassaden bestehen, von einer quartiersangemessenen Dichte und Funktionsmischung geprägt sein, durch Fußläufigkeit eine hohe Lebensqualität gewährleisten, für breite soziale Schichten unterschiedlicher Herkunft offen stehen, von einer engagierten Bürgerschaft gefördert werden, von einer vielfältigen und ortsbezogenen Wirtschaft getragen werden, sich durch ein reichhaltiges Kulturleben auszeichnen und in einer kontrastreichen Beziehung zur umgebenden Landschaft stehen.


10 GRUNDSÄTZE ZUR STADTBAUKUNST HEUTE

1. STADTTHEORIE. Komplexität statt Reduktion
Stadtbaukunst muss alle Aspekte der Stadt umfassen und ihnen Gestalt geben. Städte lassen sich nicht auf einzelne Aspekte und deren Bewältigung durch einzelne Disziplinen reduzieren.

2. STADTBILD. Städtebau statt Fachplanung
Das Stadtbild entsteht aus der bewussten Anordnung und Gestaltung städtischer Bauwerke und bedarf eines auf dauerhafte Schönheit bedachten Städtebaus. Die Vernachlässigung des überkommenen Stadtbildes in der Stadtplanung, die durch die Trennung der unterschiedlichen Planungsbereiche verursacht wird, verhindert die Entwicklung umfassend qualitätvoller Lebensorte.

3. STADTARCHITEKTUR. Gebautes Ensemble statt individualistischer Eventarchitektur
Städtische Architektur muss Ensembles mit ausdrucksreichen Fassaden bilden und ein gegliedertes Ganzes von zusammenhängender Textur und Substanz schaffen. Ausschließlich individualistische Eventarchitektur löst den städtischen Zusammenhang und die Verständlichkeit des öffentlichen Raums auf.

4. STADTGESCHICHTE. Langfristige Stadtkultur statt kurzfristiger Funktionserfüllung
Städtebau ist eine kulturelle Tätigkeit, die auf historischer Erfahrung und Bildung aufbaut. Vorgeblich wissenschaftliche Modelle und spontan verfasste Leitbilder, wie beispielsweise die „verkehrsgerechte Stadt“, verkennen den langfristigen und umfassenden Charakter der Stadt.

5. STADTIDENTITÄT. Denkmalpflege statt Branding
Die Identität der Stadt entsteht durch ihre langfristige Geschichte sowie die Pflege ihrer Denkmäler, ihres Stadtgrundrisses und ihrer Baukultur. Individualistisches Branding verleugnet die bestehenden Eigenheiten des Ortes und leistet dem Identitätsverlust im Zeitalter der Globalisierung Vorschub.

6. STADTGESELLSCHAFT. Stadtquartier statt Wohnsiedlung und Gewerbepark
Das Stadtquartier mit Funktionsmischung und architektonisch gefassten Räumen bildet das Grundelement der auf vielfältigen Lebensweisen beruhenden Stadt. Monofunktionale Siedlungen sowie Einkaufs- und Gewerbeparks vor der Stadt zerstören die Urbanität und verhindern die Identifikation der Stadtgesellschaft mit ihrer Stadt.

7. STADTPOLITIK. Stadtbürger als Gestalter statt anonymer Immobilienwirtschaft
Städtisches Bauen soll vor allem von verantwortungsbewussten Bürgern als künftigen Nutzern getragen werden und auf einem gleichberechtigten Zugang zu einem auf der Parzelle gegründeten Bodenmarkt beruhen. Institutionelle Bauträger wie öffentliche Wohnungsbaugesellschaften oder Immobilienfonds ohne langfristiges Interesse an der Qualität des Ortes schaffen keine guten Stadtbauten.

8. STADTÖKONOMIE. Einzelhandel statt Ketten
Die Stadtökonomie sollte stärker vom diversifizierten innerstädtischen Einzelhandel und Gewerbe getragen werden. Allein Großketten und ausgelagerte Großbetriebe machen die Stadtökonomie krisenanfälliger und vernichten urbane und selbstbestimmte Arbeitsplätze.

9. STADTVERKEHR. Stadtstraßen statt Autoschneisen
Stadtstraßen sind vielfältige und wohlgestaltete Aufenthaltsräume, die neben den verschiedenen Arten des Verkehrs auch dem Einkaufen, dem Spazieren, dem sozialen Kontakt, der politischen Manifestation und dem Vergnügen dienen. Monofunktionale Autoschneisen und Fußgängerzonen zerstören die Stadt.

10. STÄDTISCHE UMWELT. Nachhaltig bauen statt schnell verpacken
Die Nachhaltigkeit der städtischen Umwelt entsteht durch umfassende und solide Dauerhaftigkeit und Urbanität. Die Reduktion der notwendigen Energieeinsparungsmaßnahmen auf ölbasierte Wärmedämmverpackungen und solitäre Energiehäuser schafft die Umweltprobleme von morgen.