Kopenhagen - Der Sanierungsglücksfall

Photo © Komproment

Mit dem Projekt „Betty 1“ zeigen die Kopenhagener Architekten ONV und das Ingenieurbüro Ramboll, wie sich ein trister Wohnblock aus dem Jahr 1970 mit gezielten Eingriffen in eine hochwertig gestaltete moderne Apartmentanlage verwandeln lässt. Charakteristischer Blickfang ist die mit rötlich-grau schimmernden Keramikschindeln rundum neu gestaltete Fassade.

Eine Insel inmitten der dänischen Hauptstadt

Mit seinen rund 100.000 Einwohnern stellt Frederiksberg zwar eine eigene Stadt dar, doch durch die zahlreichen Eingemeindungen ringsum bildet die Kommune seit 1901 eine Enklave, die vollständig vom Kopenhagener Stadtgebiet umschlossen ist. Im Ortsteil Ålholm war hier seit Ende der 1960er-Jahre eine großflächige Wohnsiedlung im Stil des späten Nachkriegsfunktionalismus errichtet worden, die neben mehreren acht- bis neungeschossigen Zeilenbauten auch den 100 Meter hohen Wohnturm „Domus Vista“ umfasst, der bis heute das höchste Wohngebäude Dänemarks ist.

 

Südlich direkt angrenzend an den weithin sichtbaren Stahlbetonkoloss war 1970 der achtgeschossige Wohnblock „Betty 1“ als Wohnanlage für Menschen mit Behinderungen fertiggestellt worden. Nach rund 50-jähriger Nutzung entsprach das Gebäude aber - ähnlich wie die benachbarten Gebäude entlang der Betty Nansens Allé - nicht mehr den heutigen Ansprüchen an Komfort und Barrierefreiheit. Entsprechend hatte der Eigentümer, die vor Ort tätige Wohnungsbaugesellschaft Frederiksberg Forenede Boligselskaber, 2015 entschieden, den Block im Rahmen einer umfassenden städtebaulichen Planung für das Gebiet grundlegend zu renovieren und dabei auch das Fassadenbild komplett neu zu gestalten. Zudem sollte das Haus jetzt zusätzlich auch Wohnungen für Studierende und für Senioren bieten.

 

Mit der Planung des Vorhabens war schließlich das Kopenhagener Büro ONV beauftragt worden, das vor einigen Jahren bereits die Wohnsiedlung in der nahe gelegenen Ortschaft Ishoj realisiert hat (Exemplum No. 26): „Um die Vorgaben des Bauherrn umzusetzen, haben wir versucht, das Beste aus dem Bestehenden zu erhalten und auf natürliche und unkomplizierte Weise Neues hinzuzufügen“, beschreibt Projektarchitekt Søren Rasmussen die Strategie seines Büros für das Projekt.

 

Unter Einbeziehung der Bewohner wurden so einerseits das Erdgeschoss geöffnet und zu einem gemeinschaftlich genutzten Bereich umgebaut und außerdem ein Dachgarten als Grünfläche für die Bewohner geschaffen. Parallel dazu wurden neue Außenbalkone und Französische Balkone integriert, die Gesamtkubatur und die Grundrisse leicht angepasst sowie mehrere Gästewohnungen integriert. Als Ergebnis der verschiedenen Maßnahmen stehen damit jetzt insgesamt 75 zeitgemäße und deutlich hellere Wohnungen zur Verfügung, 46 barrierefreie Wohnungen für Senioren und Menschen mit Behinderungen sowie 29 Einheiten für Studenten.

 

Komplett verwandelte Fassade

Die sichtbarste Veränderung betrifft jedoch die komplett verwandelte Außenhaut. Waren die Fassaden zuvor zeittypisch mit gelben Ziegeln verklinkert, so trifft der Blick jetzt auf eine elegant gestaltete Außenhülle mit Röben Keramikschindeln im Farbton „Manchester Blue Reduced“, die mit ihrer schuppenartigen Anordnung und der metallisch schimmernden Oberfläche spontan den Eindruck von verwitterten Holzschindeln hervorrufen: „Je nach Tageszeit und Lichteinfall ergeben sich dabei völlig unterschiedliche Ansichten, die durch die horizontal gerillte Oberfläche der Schindeln zusätzlichen Reiz erhalten“, so Søren Rasmussen. „Und das extrem dünne Format ermöglicht gleichzeitig eine maximale Flächenausnutzung mit maximaler Quadratmeteranzahl.“

 

Das Fassadensystem wird als Leichbaukonstruktion ausgeführt, bestehend aus speziellen Faserplatten mit innenliegender Dämmung sowie einer davor montierten Aluminium-Konstruktion mit den eingehängten Keramikschindeln. Die ungewöhnlichen Keramikelemente wurden in enger Kooperation zwischen Röben und dem dänischen System-Lieferanten Komproment entwickelt: „Aus einem der weltweit besten Tone und bei extrem hohen Temperaturen um 1.200 Grad Celsius entsteht dabei eine wunderbare Farbenvielfalt in unterschiedlichen Nuancen für unser VIDAR-System“, erklärt Niels Heidtmann, Geschäftsführer von Komproment.

 

Mit den teilweise umgesetzten Balkonfassaden aus Holz sowie den bewusst unregelmäßig platzierten Fensteröffnungen ist ein abwechslungsreiches Fassadenbild mit natürlicher Anmutung entstanden, das sich wohltuend von den Bestandsbauten in der Nachbarschaft abhebt. „Hinzu kommt, dass die aus natürlichen Tonen gebrannten Schindeln hervorragend in das vor Ort umgesetzte Cradle-to-Cradle-Konzept passen“, erklärt Niels Heidtmann. Das Projekt überzeugt also nicht nur durch seine prototypische Umwandlung vorhandener Architektur aus den 1970er-Jahren; es dient auch als Vorbild in punkto Nachhaltigkeit. Eine erste Nachahmung findet aktuell auf dem Nachbargrundstück statt: Ausgehend von der Masterplanung für das Areal wurde dort vor wenigen Wochen mit der Modernisierung des angrenzenden Wohnblocks „Betty 2“ begonnen.

 

Info: Die VIDAR-Keramikschindeln wurden in enger Kooperation zwischen Röben und dem dänischen Systemlieferanten Komproment entwickelt. Die Schindeln stehen in diversen Farben und in unterschiedlichen Texturen zur Auswahl. Für eine fachgerechte Montage sind sie im Kopfbereich mit Öffnungen zum Verschrauben im System versehen. Zusätzlich steht ein speziell gefertigtes Aufhängungssystem zur Verfügung.

 

 

„C2C“ - Das Prinzip „Cradle-to-Cradle“

 

Kaum ein Thema prägt die gesellschaftliche Debatte aktuell so sehr wie der Klimawandel. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Ressourcen der Erde endlich sind und dass wir weiter CO2 einsparen müssen, um die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zu erhalten. In der Architektur ist in diesem Zusammenhang zumeist von zusätzlicher Dämmung oder alternativ von Technologien wie Photovoltaik, Erdwärme oder Wärmerückgewinnung die Rede. Eine ganz andere Strategie verfolgt demgegenüber das Cradle-to-Cradle-Konzept (sinngemäß übersetzt: „Vom Ursprung zum Ursprung“).

 

Der C2C-Ansatz wurde Ende der 1990er-Jahre durch den deutschen Chemiker Michael Braungart und den US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt. Er verfolgt den Anspruch, Produkte oder Materialien möglichst vollständig wiederverwenden zu können, um so möglichst wenig „Abfall“ zu produzieren. Cradle-to-Cradle®-zertifizierte Produkte sind danach solche, die entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als „technische Nährstoffe“ kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden können.

 

Genau diesen Anspruch erfüllen die bei der Sanierung des Wohnblocks in Frederiksberg eingesetzten Vidar-Schindeln. Die Schindeln wurden in enger Kooperation zwischen den Architekten ONV, dem Projektentwickler KAB, dem Fassadenmodul-Hersteller Scandi Byg und dem Hersteller Komproment entwickelt und sind mittlerweile Cradle-to-Cradle®-zertifiziert. Im Rahmen des Zertifizierungsprozesses wurden nicht nur die Materialien und die Herstellungsweise des Produkts, sondern der gesamte Lebenszyklus bis zur Demontage und Wiederverwertung entsprechend der C2C-Richtlinien bewertet.

 

Weitere Informationen auf www.komproment.de

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