„Unsere Fertigteile stehen immer in Verbindung mit dem konventionellen Mauerwerk – wir wollen nicht den Plattenbau wiederaufleben lassen. Wir wollen da unterstützen, wo es mit den klassischen Möglichkeiten von Mauerwerk nicht mehr weitergeht, also vor allem im statischen Bereich“ – erläutert Horst Klockgether, Leiter des PlanungsService bei Röben und bereits seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen.

 

Außerhalb der üblichen Baurichtmaße

Ebendiese bauliche Verbindung findet sich auch beim Kunstmuseum in Lausanne, wo Ziegel-Fertigteilelemente den umlaufenden, konventionellen Mauerwerksverband ergänzen. Ein Kernpunkt, der den Architekten besonders am Herzen lag, war eine möglichst homogene, fugenlose Fassadenansicht. Hier stand vor allem das Fugenbild in den Anschlussbereichen zwischen Außenwandfläche und Pilastervorsprüngen im Vordergrund. In der Planung ließ sich dies über ein Einschieben der Pilaster lösen. Die Klinker auf den etwa 1,50 Meter breiten Zwischenwandflächen bewegten sich damit außerhalb der üblichen Baurichtmaße eines Mauerwerks und mussten speziell eingepasst werden. Horizontale Dehnungsfugen zwischen den einzelnen Fertigteilelementen erübrigten sich durch den großen Druck, den die Teile aufeinander ausüben.

 

338 Fertigteilelemente

Aus Gründen des Handlings und der Logistik entschied man sich für eine Vierteilung der 84 Pilaster. Geplant, produziert und über 1.400 Kilometer ausgeliefert wurden insgesamt 338 Fertigteilelemente mit Breiten zwischen 1,49 und 4,50 Metern und Höhen zwischen 2,00 und 6,70 Metern. Hinzu kamen 385 Stürze, Fensterbänke und Attikaabdeckungen. Während Letztere sich dem klassischen Sortiment der Ziegel-Fertigteile zuordnen lassen, handelt es sich bei den Pilasterelementen um Sonderplanungen in einer Vielzahl unterschiedlicher Varianten. Jedes Teil ist abhängig von den dahinter- oder darunterliegenden Fassadenöffnungen und deren ebenfalls variierenden Einbautiefen. Der Ausführungsplan, den Anke Honke, Projektleiterin bei Röben und seit 30 Jahren erfahren in der Planung und Herstellung von Ziegelfertigteilen, vorlegt, zeigt ein imposantes System aus Zahlen und Buchstaben: 338 Elemente in vier Ebenen, ergänzt um Typenbezeichnungen von A bis J, die anzeigen, welche Fassadenverankerungen im jeweiligen Einbaubereich zum Tragen kommen. Es folgen weitere Detaillierungsgrade für den Einbau von Leerrohren zur Elektroinstallation in unterschiedlichen Bereichen.

 

U-förmige Klinkerriemchen!

Seit etwa vierzig Jahren stellt Röben inzwischen Ziegelfertigteile her, doch auch wenn die Technik heutzutage einiges leichter macht, steckt weiterhin viel Handarbeit in deren Produktion. Neun Monate dauerte die Herstellung der Elemente für Lausanne. Die gesamten Klinker für das Projekt – 5.700 Quadratmeter in der Abwicklung der Pilaster und 5.807 Quadratmeter für das restliche Gebäude – wurden vorab in einem Durchgang produziert, um eine einheitliche Farbgebung sicherzustellen. Im Werk bereiteten die Facharbeiter die auf 25 Millimeter geschnittenen Klinkerriemchen auf großen Tischen der Planung entsprechend vor. Anhand von vorgegebenen Fixpunkten in der Höhe legten sie die Schichtzahl fest, ebenso wie beim klassischen Mauern nur in horizontaler Ausrichtung. Regelmäßige Abstände zwischen den Steinen stellten sie durch das Einlegen schmaler Holzleisten sicher. Da der Ziegel als Naturprodukt Maßtoleranzen mit sich bringt, variieren diese leicht im Millimeterbereich. Für die 24 Zentimeter breite Ansicht der Pilaster wurden die Klinker u-förmig ausgeschnitten und ebenfalls in die Form gestellt. Nach Einlegen von Bewehrung, Fassadenverbindungen und Transportankern sowie dem Ausgießen der Form mit Beton waren die eingelegten Riemchen von 10 Millimetern Beton fest umschlossen. Eigens für diese Arbeiten beauftragte Fliesenleger beklebten die Oberseiten der Elemente nach ausreichender Trocknungszeit mit weiteren Riemchen, um eine einheitliche dreiseitige Ansicht der Pilaster zu erzeugen. Erst dann wurden die Fertigteile mit einem Gewicht von insgesamt 1.525 Tonnen aus dem Werk bewegt.

 

Gute Logistik unabdingbar

„Bei uns bezieht sich ‚Planung‘ auf die Konstruktion der Fassadenfertigteile. Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit der Abstimmung von Freigaben, Werkskontrollen und Prüfungen, richtiger Lagerung, der Reihenfolge der Lieferung, den Zöllen und allem, was dazugehört. Gerade bei so einem großen Projekt ist eine gute Logistik unabdingbar“, so Honke, auf deren Schreibtisch alle Fäden zusammenliefen. Etwa 100 Lastwagen brachten die Fertigteilelemente für die Baustelle vorsortiert und gut geschützt nach Lausanne. Dort lag die Kunst der ausführenden Firmen im exakten Einbau der Fertigteile. Die Elemente wurden in die stehende Rüstung von 22 Metern Höhe eingefädelt und bis nach unten an den ihnen zugedachten Platz bewegt. Die Baustellenfotos zeigen, wie die Arbeiter die enormen Bauteile vorsichtig führen, es scheint wie ein virtuoser Tanz zwischen den Kräften. Virtuos zeigte man sich auch bei der Überwindung sprachlicher Barrieren: Die Kommunikation auf Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch – das Musée cantonal des Beaux-Arts ist im wahrsten Sinne ein Gemeinschaftsprojekt.